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Hoffnungsbrief Nr. 59

Eingang: 12.05.2021, Veröffentlicht: 12.05.2021

Hoffnungsbrief Nr. 59
Liebe Gemeinde!

Es gibt Menschen, auch schon in jüngerem Alter, die nicht gut hören können. Für Viele ist das eine starke Belastung. Wenn man in großer Runde sitzt und alle durcheinander reden, ist es besonders schwer. Da kommt man dann oft nicht mit beim Gespräch und fühlt sich schnell ausgeschlossen - obwohl die anderen es nicht böse meinen. Auch das Telefonieren ist mühsam, weil man da nicht einmal die Mundbewegungen des Gesprächspartners sehen kann. Im Gottesdienst versteht man von der Predigt nicht viel, und wenn man Fernsehen guckt, können die Nachbarn den Ton quasi eins zu eins mitverfolgen, auch wenn sie selbst den Fernseher gar nicht anhaben. Nicht hören zu können, das schränkt ein - und ein Hörgerät zu finden, das diese Einschränkung ausgleicht, ist mühsam - und oft unglaublich teuer.

Manche Menschen lassen es sich also richtig was kosten, wieder besser hören zu können. Andere könnten sehr wohl alles hören - haben aber offensichtlich kein gesteigertes Interesse daran. Sie hören nur das, was sie hören wollen. Sie nehmen nur die Argumente zur Kenntnis, die ihre Weltsicht bestätigen. Und in Diskussionen schleudern sie anderen ihre Ansichten ins Gesicht, ohne dass ein Interesse an Verständigung spürbar wird. Aber wehe, man spricht jemanden darauf an! “Man darf ja wohl noch seine Meinung sagen” - bekommt man dann zu hören. Klar darf man sagen, was man denkt - aber geht das nicht auch so, dass man den Gesprächspartner nicht gleich lächerlich macht, in eine Denk-Schublade packt oder gar bewusst verletzt? Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut - aber sie wird für mein Empfinden überstrapaziert, wenn man sie für alles, was man gerade so raushauen will, in Anspruch nimmt. Und irgendwie führt das ja auch nirgendwo hin, wenn ein Gespräch nur noch als Schlagabtausch gesehen wird. Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir in unserer Gesellschaft verlernen, einander zuzuhören. Man muss nicht einer Meinung sein - aber es ist eine Frage des Respekts, dass man dem anderen auch zuhört, wenn er etwas sagt, was mir persönlich gegen den Strich geht.

Wer nicht nur hören, sondern zuhören will, braucht nicht nur funktionierende Ohren oder ein passendes Hörgerät, er braucht auch ein Mindestmaß an Einfühlungsvermögen. Natürlich ist es anstrengend, sich immerzu in einen Gesprächspartner einzufühlen. Das kostet Kraft, weil man versucht, die fremden Gefühle nachzuempfinden. Aber ohne dieses Nachempfinden, dieses Nachspüren, was den anderen gerade bewegt und warum ihm seine Meinung gerade so wichtig ist, ist gelingende Kommunikation schwierig. Zuhören - das heißt für mich, dass ich tatsächlich erstmal höre, bevor ich darüber nachdenke, was ich selbst sagen will. Und genau das wünsche ich mir von meinem Gegenüber auch: Hör mir doch einfach zu. Höre!

Höre! So heißt der 6. Sonntag nach Ostern. Exaudi! Höre! Natürlich ist damit kein Mensch gemeint, sondern Gott. “Gott, höre meine Stimme, wenn ich rufe!”, so beginnt der 27. Psalm. Und dann heißt es dort weiter: “Sei mir gnädig und erhöre mich!” Zwischen Hören und Erhören gibt es offensichtlich einen Unterschied, auch bei Gott. Für mich liegt der nicht in der Erfüllung des Anliegens, dass ich da vor Gott bringe. Natürlich wäre das in manchen Fällen schön gewesen, wenn mein Gebet in diesem Sinne erhört worden wäre. In anderen Fällen vielleicht auch nicht - manchmal können wir Menschen es selbst nicht einschätzen, was gut für uns ist. Dass ich mit Gott rede, - auch wenn er mir nicht jeden Wunsch erfüllt und sicher auch nicht immer meiner Meinung ist, das tut mir gut. Ich stehe quasi in einem ständigen inneren Dialog. Dadurch verstehe ich mich selbst besser und begegne meinem Leben trotz Allem mit Zuversicht. Das geht - weil ich Gott vertraue. Ich glaube, dass ein gewisses Maß an Vertrauen in jeder Gesprächssituation wichtig ist, zumindest, wenn ich den anderen wirklich verstehen will. Da mach ich mir doch schnell eine innere Notiz: Gott bitten, dass ich das Vertrauen in die Menschheit nicht verliere! Denn es wäre doch schade, wenn das mit dem “Einander hören” gar nicht mehr klappt.

Herzlichst, Ihre Zwischenzeitpastorin
Anne-Christin Ladwig
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