Hoffnungsbrief Nr. 50
Eingang: 11.03.2021, Veröffentlicht: 11.03.2021
Liebe Gemeinde,
zum heutigen Sonntag Lätare, mitten in der Passionszeit, findet sich im Losungsheft der Herrnhuter Brüdergemeinde folgendes aus Amos 8, V. 11f: Siehe, es kommt die Zeit, spricht Gott, der HERR, dass ich einen Hunger ins Land schicken werde, nicht einen Hunger nach Brot oder Durst nach Wasser, sondern nach dem Wort Gottes, es zu hören; dass sie hin und her laufen und des HERRn Wort suchen und doch nicht finden werden.
Nur wenige unter uns haben je echten Hunger verspürt, es sei denn man fastet freiwillig. Die meisten haben in ihrem Leben kaum Mangel erlebt und können essen und trinken, wie es ihnen beliebt. Bis heute ist das nicht überall selbstverständlich. In weiten Teilen Afrikas und Asiens erleben viele Menschen täglich den Hunger und haben große Mühe ihn zu stillen. Wie muss das sein für eine Mutter, deren Kind vor Hunger schreit und sie weiß nicht, womit sie es sättigen könnte...
Das heutige Losungswort hört sich unheimlich an, als ob Gott Tod und Verderben schicken wird. Es geht jedoch um einen Hunger nach dem Wort Gottes, es zu hören. Menschen, die alles haben, was sie sich nur wünschen können, haben selten Appetit darauf. Wie sieht es bei Ihnen aus, nach einer Durststrecke des “Lockdowns” ohne Friseur und Restaurantbesuch, ohne Treffen mit Verwandten oder einen kleinen Kaffeeklatsch? Wenn mir etwas fehlt, ich etwas schmerzlich vermisse, dann habe ich schon Appetit auf gute Nachrichten, dass es endlich besser werde. Alle hoffen aufs Frühjahr und dennoch lauern Ängste und Befürch-tungen auf dem Weg dahin. Wie sehne ich mich nach einem Wort, das mich aus dieser Zeit, die wir nun lange genug erlebt haben, erlöst. Ein Wort, das mich wieder mein normales Leben leben lässt; ein Wort, das Begegnungen und Unternehmungen nicht nur zulässt, sondern dazu ermutigt.
Geht es Ihnen auch so? Dann nehmen Sie sich einmal die Zeit, wieder in der Bibel zu lesen, z. B. den Propheten Amos. Nur 9 Kapitel enthält dieses Buch eines kleinen Propheten. Aber die haben es in sich. Gott ist unzufrieden mit der Art und Weise wie sein Volk lebt. Es hört nur selten hin, wenn er zu ihm reden will. Und sie haben vor allem ihren eigenen Vorteil im Sinn. Es sind sozusagen ganz moderne Zeiten, in denen Amos unterwegs ist mit seiner Botschaft, seinem Wort Gottes. Er leidet an seiner Zeit und an seinem Volk. Ich kann ihn gut verstehen, Sie vielleicht auch. Und nun prophezeit er seinen Mitmenschen, dass eine Zeit kommen werde, in der die Menschen sich sehnen, das Wort Gottes zu hören. Aber sie sind nicht in der Lage es zu finden. Es ist tragisch wie bei einer fortgeschrittenen Demenz. Man sucht nach einer tröstlichen Erinnerung, die aber inzwischen verschüttet ist unter dem Schutt anderer Gedanken und Erfahrungen. Der Schreck ist groß: Ich suche das Wort Gottes, finde es aber nicht wieder.
Wer schon einmal verzweifelt etwas Wichtiges gesucht und nicht mehr gefunden hat, versteht die Gefühle, die einen dabei überkommen: Zorn, Ärger auf sich selbst und die Verzweiflung, sich nicht helfen zu wissen. Helfen kann nur, auf Gottes Wort immer wieder zu hören, das einen täglich begleitet wie ein guter Freund. Mit Gott im Gespräch bleiben durch Gebet und Besinnung, um erst gar nicht in den Zustand zu kommen, dass er nicht mehr zu einem spricht und man ihn nicht wiederfindet. In unserem Glauben ist es wie mit den gerade heute so sparsam dosierten zwischenmenschlichen Kontakten. Nur wenn wir miteinander im Gespräch bleiben, können wir den gemeinsamen Faden weiterspinnen, ansonsten geht der Kontakt verloren. Ich wünsche Ihnen in dieser Zeit, dass es Ihnen gelingt, diesen Faden weiterzuspinnen mit Gott und Ihren Mitmenschen.
Ihr Pastor Cornelius Meisiek
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