Kirchengemeinde Coppengrave
Kirchengemeinde Duingen
Capellenhagen Coppengrave Duingen Fölziehausen Weenzen

Hoffnungsbrief Nr. 34

Eingang: 12.11.2020, Veröffentlicht: 12.11.2020

Hoffnungsbrief Nr. 34
Liebe Gemeinde,

am heutigen Volkstrauertag wird wie in jedem Jahr ein Kranz am örtlichen Ehrenmal niedergelegt. Diesmal ganz ohne öffentliche Beteiligung. Nicht weil wir seit 1945 in Deutschland keinen Krieg mehr erlebt haben und das keine Bedeutung mehr für uns hätte, sondern wegen Corona. Nur in wenigen Kirchen findet noch eine kleine Andacht statt. Die Teilnehmerzahl wie schon seit Jahren: sinkend. Man könnte meinen, der Sinn des Volkstrauertages hat sich nun so erledigt, dass er sozusagen an Corona stirbt, im Alter von 70 Jahren. So lange gibt es diesen Tag, der vor 1945 Heldengedenktag hieß und einen anderen Termin und einen ganz anderen Charakter hatte.

Erledigt? Nein, nicht erledigt, denn etwas wollen wir auch in Zukunft nicht entbehren: Frieden für alle, wenigstens in unseren Grenzen, in den Grenzen des vereinten Europas. Ohne die bittere Erfahrung zweier Weltkriege in nur einem halben Jahrhundert, ohne 50 Millionen Kriegstote, nicht nur Soldaten, sondern auch Zivilisten, auch Frauen und Kinder wäre Europa wohl nicht friedlich vereint. Wir haben in diesem Jahr einen Vorgeschmack darauf bekommen, wie es wäre, wenn das vereinte Europa wieder auseinanderfiele: Ungelöste Konflikte und Kriege kommen uns immer näher und die Flüchtlinge werden immer mehr. Ukraine, Armenien oder Syrien liegen nicht so fern wie mancher meint.

Worauf können wir hoffen, was können wir tun, um den Frieden auch in Zukunft zu gewährleisten? Einmal das ganz Grundsätzliche: Frieden fängt im Kleinen an, in der Familie, in der Nachbarschaft, in unserem Dorf und zwischen den Dörfern. Bei ehrlichem Hinsehen wird klar, auch da ist nicht alles in Ordnung. Eins ist dabei unverzichtbar: der Wille zum Kompromiss, die Fähigkeit zum ersten Schritt auf den anderen zu. Wo das fehlt, schwelen Konflikte weiter, vergiften Beziehungen, machen ein fröhliches, friedliches Alltagsleben unmöglich.

Im Großen gilt das erst recht. Flüchtlinge von heute wie von damals können erzählen, welch schreckliche Folgen das für viele Menschen hatte und hat. Ein wichtiger Baustein für den Frieden ist die Erinnerung an jene Zeit, in der deutsche und europäische Städte in Trüm-mern lagen und Hunger herrschte. Die Straßen quollen über von Flüchtlingen, die nicht wussten, wo sie bleiben sollten. Wenn wir wollen, dass so etwas nicht wieder geschieht, gilt es nicht zu vergessen, aber den früheren Feinden zu vergeben. Wie schwer das ist, zeigen die kleineren und größeren Konflikte, die man auch heute noch erleben kann. Wer weiterhasst, wird niemals frei von diesen Schrecken. Dazu gibt es ein Jesuswort aus Joh 8,32: Ihr werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch freimachen. Nur eine Vergangenheit, die in ihrer ganzen Tragik nicht nur aus der Sicht des eigenen Landes, sondern auch mit den Augen des jeweils anderen angesehen wird, kann dazu beitragen, dass sie sich nicht wiederholt. Lange hat es gebraucht, dass am Volkstrauertag nicht nur der eigenen Toten, sondern auch der fremden Toten gedacht wurde. Erst die allmähliche Erkenntnis, dass Deutschland viel Elend unter den Juden Europas und der meisten unserer Nachbarländer angerichtet hatte, führte zu einer Umkehr. Unsere Kirche ist schon 1945 mit dem Stuttgarter Schuldbekenntnis vorangegangen.

Viel später konnten wir erleben wie auch andere Völker anerkannten, dass sie im Krieg auch Unrecht getan hatten, z. B. mit den Luftangriffen auf deutsche Städte mit Tausenden von Toten. Noch später, nämlich jetzt, können wir erleben, dass junge Juden gerne in Berlin leben. Deutschland nach 1945 bei vielen unserer Nachbarn durch schlechte Erfahrung verhasst und gefürchtet, inzwischen respektiert, ja geachtet wie noch nie in unserer Geschichte. Wovon hat uns also die Erkenntnis der Wahrheit freigemacht? Von dem Kreislauf der ständigen Vergeltung, der Rache ... Auch in kleinen Konflikten ist dieser Teufelskreis schrecklich, weil er kein Entkommen, keinen Frieden, keine Ruhe lässt.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen gute Gedanken, wo wir in unserer Familie, Nachbarschaft und Zuhause dazu beitragen können, dass Neues entstehen und wachsen kann, was jeder doch aus tiefstem Herzen für sich möchte: Frieden. Man kann ihn aber nicht alleine haben, man muss ihn auch dem “bösen Nachbarn” gönnen, sonst wird nichts Gutes draus....


Herzliche Grüße

Ihr Pastor Cornelius Meisiek
zu den Fotos

Anfang der Seite