Hoffnungsbrief Nr. 28
Eingang: 01.10.2020, Veröffentlicht: 01.10.2020
Liebe Gemeinde,
stellen Sie sich vor, Sie wären auf dem Kirchentag, wo bis zu 100 000 Menschen zusammen kommen. Es wäre Sonntagmorgen und beim Abschlussgottesdienst würden vorne sieben Fladenbrote in die Menge gereicht. Jeder bräche sich sein Stück ab, wie das vor Corona üblich war. Meinen Sie, dass für Sie noch ein Bröckchen übriggeblieben wäre?
Wenn auch nur von 4000 Teilnehmern auszugehen wäre wie bei der Speisung der 4000 (Markus 8,9), müsste schon ein Wunder geschehen sein, wenn für Sie noch ein Krümel übriggeblieben wäre. Wenn es aber kein Abendmahl wäre, sondern jeder sich satt essen wollte, wäre das wohl ausgeschlossen, dass jeder genug bekäme. Wie sollen 7 Brote für 4000 Menschen reichen? -
An Erntedank feiern wir die Fülle der Gaben, die wir in diesem Jahr empfangen haben. Als Zeichen dafür sehen wir das, was wir selbst ernten konnten an Äpfeln und Zwetschgen, an Kartoffeln und Erdbeeren. Für manche von uns gehört das Ernten immer noch zu den schönsten Freuden des Landlebens. Aber das ist nicht alles. Hinzu kommen auch Gaben, die wir nicht verzehren, die uns aber bis heute am Leben gehalten haben.
Zu den Gaben, die mir am liebsten sind, gehören Zuneigung, Anerkennung und Aufmerksam-keit. Wer freut sich nicht, wenn ein anderer an einen denkt?
Gaben, die wir einander schenken, erhalten die Freundschaft. Sie zeigen Wertschätzung und Anerkennung. Ihre Botschaft lautet: “Du bist mir wichtig!”
Ein solches Zeichen der Sympathie und Aufmerksamkeit erhält jeder, der den diesjährigen Erntedankgottesdienst im Coppengräver Reitstall besucht. Gastfreundschaft und Gemein-schaft prägen das Dorfleben. Zusammengehörigkeit und Solidarität sind heute ja nicht mehr selbstverständlich. Es gilt das gerade an Erntedank zu feiern. Gott beschenkt uns, dass es für alle reichen kann. Manchmal müssen wir, die wir immer noch zu den reichlich Beschenkten gehören, nur ein wenig nachhelfen. Wir können etwas abgeben. Das gilt auch im übertragenen Sinn. Weil ich mich als Christin, als Christ beschenkt und von Gott gesegnet fühle, bringe ich meinen persönlichen Dank in die Gemeinschaft dieses Gottesdienstes ein. Wir wollen es so machen, dass jede und jeder in den Fürbitten Gott danken kann für seine Gaben und sie fruchtbar machen für die, die sie brauchen. Mein Dank macht mich bereit, zu teilen und abzugeben. Meine Achtung vor dem Mitmenschen macht mich kreativ zu sehen, was mein Nächster braucht. Das fängt bei den elementaren Bedürfnissen an wie dem täglichen Brot und dem frischen Wasser, dem alles Leben entspringt.
Am schönsten sind die Erfahrungen, die man sich nicht kaufen noch selber erarbeiten kann: Zuneigung und ehrliche Wertschätzung. Sie zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie sich wunderbar vermehren lassen. Nächstenliebe schließt niemanden aus, sondern alle ein. Und Zeichen der Nächstenliebe sind gerade willkommen, wenn andere Zeichen der Nähe nicht angemessen und nicht willkommen sind. Ein Gruß aus meinem Garten gehört für mich stets dazu. Ein Blumenstrauß, ein paar Äpfel oder auch nur ein paar schöne bunte Herbstblätter, die ich pressen und trocknen kann und mich noch an die Schönheit von Gottes Natur erinnern, wenn im Winter schon bald nichts mehr davon zu sehen ist...
Ihr Pastor Cornelius Meisiek
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