Hoffnungsbrief Nr. 26
Eingang: 18.09.2020, Veröffentlicht: 18.09.2020
Liebe Gemeinde,
am vergangenen Sonntag war ich unterwegs. Pilgertag, so nennen wir die Aktion, die wir einmal im Jahr mit Kirchengemeinden aus unserer Region durchführen. Bei strahlendem Sonnenschein ging es in diesem Jahr von Hoyershausen über den Külf nach Dehnsen und anschließend weiter nach Limmer. Ein Teil der Strecke führte uns auf verschlungenen, sich immer wieder verzweigenden Wegen durch ein Waldstück. Sicher wir hatten alles gut vorbereitet und wussten ganz genau, an welcher Stelle wir nach rechts oder links abbiegen wollten. Dafür hatten wir sogar einen Plan. Trotzdem wollte ich an einer Stelle in die falsche Richtung abbiegen. Wie gut, dass wir jemanden dabei hatten, der den Weg ganz genau kannte. Beim Weitergehen kam mir der Gedanke: Was wäre gewesen, wenn wir ohne Führung, ohne Plan oder Smartphone-App in die andere Richtung abgebogen wären? Wenn wir plötzlich den Weg erst hätten suchen müssen? Wären wir uns dann nicht ein wenig vorgekommen, wie in einem Labyrinth.
Ein Labyrinth ist, wie ich finde, ein schönes Sinnbild für unseren Lebensweg. Auch unser Leben hat manchmal verschlungene Pfade und so manche Sackgasse.
Schon in der Antike sprach man vom sogenannten Lebenslabyrinth. Eine bekannte Labyrinth-Überlieferung stammt aus Griechenland: Ein stierköpfiges, gefräßiges Ungeheuer, der Minotaurus wurde in der Mitte eines Labyrinthes angekettet, um die Welt vor ihm zu beschützen. Jedes Jahr wurden sieben Menschen als Opfer für den Minotaurus ausgewählt. Sie wussten ganz genau: In der Mitte des Labyrinthes lauert der Tod. Erst als der Held Theseus ausgeliefert werden sollte, wendete sich das Blatt. Eigentlich war es der Verdienst seiner Braut Ariadne. Sie überreichte ihm ein Knäuel rote Wolle mit den Worten: “Gib dieses Knäuel nicht aus deiner Hand. Sein Faden wird dir auf dem langen beschwerlichen Weg im Labyrinth ein Zeichen meiner Liebe sein. Halte dich daran fest. Und wenn du den Minotaurus überwunden hast, dann nutze es klug, um zurück ans Licht zu gelangen. Zurück zu mir, zu deiner Liebe und zum Leben.”
Thesus tat genau das, was sie ihm riet. Und was kaum zu hoffen war, geschah. Das Ungeheuer wurde niedergestreckt und alle folgten Theseus, der sich am roten Faden seiner Liebe orientierte. Sie gelangten zurück in die Freiheit, die ihnen wie ein zweites Leben vorkam.
Viele Menschen begriffen diese Geschichte damals als Ermutigung für ihren persönlichen Weg im Lebenslabyrinth. Sie verließen sich auf die Kraft und Macht der Liebe und setzten darauf, dass es auch in Krisenzeiten so etwas wie einen “Ariadne-Faden” geben würde, ein “Band der Liebe”, das Halt und Orientierung vermitteln kann.
Auch die ersten Christen und Christinnen kannten das Sinnbild des Labyrinthes und beschrieben damit ihren Glauben. Für sie war die Hauptfigur Jesus, der Christus und die alles übersteigende Liebe Gottes, die in Jesus Gestalt gewonnen hatte. In der Mitte des Labyrinthes haust nicht mehr der Tod. Es gibt einen Hausherrn, der Gnade vor Recht ergehen lässt, der aus Angst und Schrecken herausführt. Sein Name ist Jesus, der Christus, Sohn Gottes, Bruder und Freund aller Menschen. Er begleitet auf allen Lebenswegen, immer wieder. Seine Nähe vermittelt Kraft und Zuversicht, macht in Zeiten der Schwäche stark und ermutigt dazu, tapfer weiterzugehen, wenn Gratwanderungen erforderlich sind. Und das gilt auch für uns heute. So wie es in der Bibel im Matthäusevangelium heißt: ”Ich bin bei euch, alle Tage, bis an der Welt Ende.” Nicht so, als wäre alles halb so schlimm, nicht so als gäbe es keine Schrecken und kein Leid mehr, aber so, dass immer deutlich wird: “Gottes Liebe hört niemals auf”.
Wir dürfen immer wieder um Begleitung in unserem Leben bitten. Vielleicht mit den Worten aus einem Liedtext, der von Eugen Eckert stammt: Weise uns den Weg, Gott, geh mit! Begleite du uns, Gott, Schritt für Schritt. Wo wir stolpern, straucheln, zagen, wo uns Angst lähmt zu versagen. Weise uns den Weg, Gott, geh mit, Gott, geh mit. Weise uns den Weg, Gott, geh mit.
Bleiben sie behütet.
Ihre Lektorin
Petra Woscholski
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