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Hoffnungsbrief Nr. 56

Eingang: 21.04.2021, Veröffentlicht: 22.04.2021

Hoffnungsbrief Nr. 56
Liebe Gemeinde!

Aus rätselhaften Gründen liebe ich ungewöhnliche Wörter. Wörter, die heute kein Mensch mehr versteht, geschweige denn verwendet. Hanebüchen zum Beispiel. Oder blümerant. Wenn ich nach einem Stück Torte sagen würde: “Mir ist so blümerant.”, würden mich meine Neffen und Nichten wahrscheinlich nur verständnislos angucken. Aber mir zergeht dieses Wort auf der Zunge - und im Gegensatz zur Torte liegt es auch nicht schwer im Magen. Blümerant - das ist wie Blumenwiese nach Achterbahnfahrt oder ein Hauch Parfüm im vollbesetzten Zugabteil. Schade, dass solche Wörter vom Aussterben bedroht sind!

Auch das Wort “jubilieren” findet nur noch selten Verwendung. Die Jugendlichen von heute würden statt dessen wahrscheinlich “abfeiern” sagen, oder irgendein Wort, das ich noch gar nicht kenne. Aber irgendwie ist einem ja auch nicht nach jubilieren zumute in diesen Tagen. Das Auf und Ab mit dem Inzidenzwert hat auch etwas von Achterbahnfahrt, allerdings ohne Blumenwiese; und den sich ständig ändernden Coronaregeln kann kaum noch jemand folgen.

Wenn es an diesem Sonntag wie an jedem dritten Sonntag nach Ostern bei uns in der Kirche heißt: Jubilate! Also: Jubiliert, frohlocket! - dann kann ich es keinem übel nehmen, der sich über diese Aufforderung ärgert. Worüber soll man denn frohlocken in dieser Zeit? Wäre alles nach Plan gelaufen, dann wäre die Konfirmation in Weenzen dran gewesen am Sonntag Jubilate - und dass die verschoben werden musste, ist wahrlich kein Grund zum Frohlocken, so wie vieles andere auch.

Das, was Menschen heute bewegt, findet eher in dem neu erfundenen Wort “mütend” Ausdruck. Es beschreibt die Gefühlslage der Menschen nach über einem Jahr Pandemie, die nach unzähligen Schritten vorwärts und noch mehr Schritten rückwärts irgendwo zwischen müde und wütend liegt. Wenn einem die Worte fehlen, dann bleibt manchmal eben nur noch das: ein neues Wort zu erfinden. Mütend. Trotzdem halten wir in der Kirche an unseren alten Worten fest, und auch an der Reihenfolge der Sonntage. Wir verschieben den Sonntag Jubilate nicht auf das Ende der Pandemie, sondern wir feiern ihn auch jetzt; so, wie wir ihn zum Beispiel auch im 2. Weltkrieg gefeiert haben - und da gab es noch weniger Grund zum Jubeln als heute.

Mich hat, als ich jünger war, dieses unbedingte Festhalten an Traditionen und Abfolgen irritiert und manchmal auch geärgert. Ich erinnere mich noch gut an eine Situation während meiner praktischen Ausbildung im Predigerseminar, als wir als Kurs eine Woche im Kloster verbracht haben. An einem der Tage bekamen wir eine bestürzende Nachricht, die viele von uns sehr mitgenommen hat. Dennoch lief der Tag ab wie geplant, und auch die Gebetszeiten verliefen nach genau dem gleichen Muster wie an den Tagen zuvor. Ich hätte am Liebsten etwas gegen die Wand geworfen, so wütend hat mich das gemacht. Heute empfinde ich die Beständigkeit unserer kirchlichen Abläufe eher wie ein Anker in unruhigen Zeiten. Der Gedanke daran, wie viele Menschen sich in allem Auf und Ab ihres Lebens von diesem vertrauten Rhythmus haben tragen lassen, macht mich demütig und lehrt mich, mich selbst und meine momentan möglicherweise nicht ganz so komfortable Situation nicht so wichtig zu nehmen.

Und auch scheinbar Unpassendes und Überholtes kann neu in den Augenblick hinein sprechen. An Jubilate feiern wir die Schöpfung und die Neuschöpfung in der Auferstehung. Wir erinnern uns daran, dass uns ein neuer Himmel und eine neue Erde verheißen ist. Gott stellt seiner mütenden Menschheit die Hoffnung vor Augen. Neues kann wachsen, in Christus. Deshalb: Jubilate! Oder von mir aus: Feiert ab! Denn alles ist besser als zu resignieren.

Herzlichst, Ihre Zwischenzeitpastorin
Anne-Christin Ladwig
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