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Hoffnungsbrief Nr. 13

Eingang: 16.06.2020, Veröffentlicht: 16.06.2020

Hoffnungsbrief Nr. 13
Foto: Ladwig

Liebe Gemeinde,

In dieser Woche begleite ich mit meiner Gitarre die Töchter einer Freundin, die auf einer Beerdigung das Lied “Somewhere over the rainbow” singen. Da heißt es: “Eines Tages werde ich einen Wunsch an einen Stern schicken, und dort aufwachen, wo ich die Wolken ganz weit hinter mir lassen kann. Wo Sorgen und Ärger einfach so schmelzen, wie Zitronenbonbons. Ganz hoch oben über den Schornsteinspitzen, da wirst du mich finden. Irgendwo da oben, über dem
Regenbogen.”

Ein berührender Gedanke ist das, gerade bei so einem Abschied am offenen Grab. Auch wenn dieses Lied keinen christlichen Hintergrund hat — es stammt ja ursprünglich aus dem Musical “Der Zauberer von Oz” — so nimmt es doch ein Bild auf, das in unserem Glauben eines der eindrücklichsten Hoffnungszeichen ist: den Regenbogen. Ganz am Ende der Sintfluterzählung, nachdem der Tod alles Leben von der Erde weggespült und nur wenige Menschen zurück gelassen hat, malt Gott ihn an den Himmel. Farbe um Farbe, Pinselstrich um Pinselstrich, entsteht vor den noch regenverhangenen Wolken ein leuchtender Bogen in violett, blau, grün, gelb, orange und rot. Er soll, wann immer er am Himmel zu sehen ist, die Menschen daran erinnern, dass Gott ihnen zur Seite steht, was auch passiert. Er soll daran erinnern, dass Gott das Leben will und nicht den Tod. Bewahren will und nicht zerstören.

Es gibt Tage, da brauche ich diese Vergewisserung so dringend. Das Leben wirft manchmal Fragen auf, die zu groß sind für mich. Oft passieren Dinge auf dieser Welt, die mich zweifeln lassen an der Menschheit. Und in manchen Situationen stehe ich schweigend daneben und kann doch nichts anderes tun als die stumme Klage mit auszuhalten und in meinen Armen für einen Augenblick Halt zu geben. Diese ganzen Sorgen wie Zitronenbonbons schmelzen zu lassen, für
mich und für die, die mir anvertraut sind - das wäre so schön. Das Saure auf der Zunge zergehen zu lassen und die Süße noch stundenlang nachzuschmecken-denn das Leben ist nicht nur bitter, es ist auch süß. Und ich will die Wolken hinter mir lassen und sie gleichzeitig mit wegschieben für die, die selbst keine Kraft oder keinen Mut mehr dazu haben.

Wenn ich den Regenbogen am Himmel sehe, dann erinnert er mich daran, dass diese Welt, so wie sie ist, nicht dem Willen Gottes entspricht. Denn Gott will das Leben. Er will, dass es seinen Menschen gut geht, und was immer ich dazu beitragen kann, dass sein Wille wahr wird, das möchte ich tun.

Ja: Der Regenbogen ist ein Hoffnungsbild, und wann immer ich ihn sehe, spüre ich das in meinem Herzen. Auch wenn ich es naturwissenschaftlich erklären kann, wie durch die Lichtbrechung der Regentropfen dieses phantastische Naturschauspiel entsteht, bleibt dieser Rest Ehrfurcht, bleibt die Gewissheit, dass da eben doch mehr ist, als ich je mit meinem Verstand erklären und aus eigener Kraft bewirken kann. Und wenn die leuchtenden Farben aus den Wiesen aufsteigen und den Himmel berühren, dann fühle ich mich auf wunderbare Weise verbunden mit den Menschen, die diese Brücke schon beschritten haben und irgendwo da oben auf mich warten - über den Schornsteinspitzen, wo Sorgen und Ärger schmelzen wie Zitronenbonbons.
Irgendwo, über dem Regenbogen ...


Herzlichst, Ihre Zwischenzeit - Pastorin
Anne-Christin Ladwig
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