Hoffnungsbrief Nr. 12
Eingang: 10.06.2020, Veröffentlicht: 10.06.2020
Foto: Ladwig
Liebe Gemeinde,
Als wir am letzten Sonntag in Capellenhagen Gottesdienst gefeiert haben, musste ich an ein Lied denken, das ich gerne mag. Da heißt es: “Wenn das Brot, das wir teilen, als Rose blüht, und das Wort, das wir sprechen, als Lied erklingt, dann hat Gott unter uns schon sein Haus gebaut, dann wohnt er schon in unserer Welt”.
Das Brot teilen - Abendmahl feiern - das geht nicht im Moment, wie so vieles nicht geht. Auch das Singen ist noch nicht erlaubt. So haben wir Liedstrophen gesprochen und auf dem Altar standen kein Brot und Wein, aber Sträuße aus leuchtenden Pfingstrosen.
Für viele Menschen ist das Abendmahl ein wichtiges Ritual des Glaubens. Wir vergewissern uns, dass Gott mit einem liebevollen Lächeln auf unser Leben schaut - und wir schärfen unseren Blick für die Menschen, mit denen wir gemeinsam auf dem Weg sind. Beides gehört unverzichtbar zusammen, und wenn wir Brot und Wein im Gottesdienst teilen, dann ist Jesus uns ganz nahe, dann ist er in unserer Welt.
Aber auch wenn wir nicht gemeinsam das Abendmahl feiern dürfen, so können wir doch kleine Abendmahlsmomente erleben, mitten im Alltag. Ich erinnere mich an einen Nachmittag in der Zeit, als ich mit meinem kleinen schwerstbehinderten Sohn Joni bei meinen Eltern wohnte. Joni hatte eine Therapiestunde gehabt und die Physiotherapeutin wollte sich gerade wieder auf den Weg machen, als meine kleine Nichte von nebenan rüber kam. Sie hatte eine Salzstange in der
Hand, die sie auf dem Weg schon in drei Teile geteilt hatte. Sie wusste ja, dass Joni keine Salzstangen essen konnte, und die drei Teile waren für meine Mutter, für mich und für sie selbst bestimmt. Ernsthaft reichte sie ein Stück meiner Mutter und eines mir. Dann stand sie mit ihrem letzten Stück Salzstange vor der Physiotherapeutin, mit deren Anwesenheit sie nicht gerechnet hatte. Sie schaute zwischen ihrem Drittel Salzstange und der Therapeutin hin und her
und überlegte. Dann brach sie das Drittel noch einmal auseinander und gab eines der Stückchen weiter, so dass keine leer ausgehen musste. Und auch wenn es keine Einsetzungsworte gab und keine Liturgie - etwas vom Geist des Abendmahls war für mich zu spüren in diesem Moment, und ich bin mir ganz sicher, dass Gott vom Himmel aus auf uns herab gelächelt hat.
Keine, keiner geht leer aus, wenn wir teilen, was wir haben - ohne Angst, selbst zu kurz zu kommen. Das ist etwas, was wir von Kindern lernen können. Als Erwachsene tun wir uns da oft schwer mit. Vielleicht auch, weil wir in Gedanken weniger in der Gegenwart als in der Zukunft sind und das, was wir besitzen, uns in irgendeiner Form Sicherheit verheißt. Und natürlich ist es sinnvoll, für die Zukunft zu sorgen, auch wenn wir uns da nichts vormachen sollten: Vieles liegt einfach nicht in unserer Hand. Was aber in unserer Hand liegt, sind diese kleinen Glücksmo-
mente, in denen wir über unseren Schatten springen und von unserem Überfluss abgeben. Teilen macht glücklich - mich und den anderen.
Wenn wir Gottesdienst feiern in diesen Tagen, dann können wir nicht Brot und Wein teilen. Aber wir teilen unsere Sorgen und Ängste, damit sie nicht unser Leben bestimmen. Wir teilen unsere Hoffnung und unsere Zuversicht, damit sie wachsen können. Wir geben in der Kollekte etwas ab von dem, was wir haben - damit keine, keiner leer ausgeht im Leben. Und ich bin mir sicher, dann ist es so wie in dem Lied: “Dann hat Gott unter uns schon sein Haus gebaut, dann
wohnt er schon in unserer Welt.”
Herzlichst, Ihre Zwischenzeit - Pastorin
Anne-Christin Ladwig
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