Wort von Landesbischof Ralf Meister an die Gemeinden (28.08.2015)
28.08.2015
Landesbischof Ralf Meister
Liebe Schwestern und Brüder in den Kirchengemeinden,
ob aus Mazedonien, aus Heidenau oder aus Hildesheim: die Nachrichten in diesen Tagen
sind erschütternd. Menschen, die aus Kriegsgebieten geflohen sind und von denen viele
jahrelang unmittelbare Gewalterfahrungen erlebten, werden in Deutschland erneut
massiv ausgegrenzt, stigmatisiert und gewaltsam angegriffen.
Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte sind schändlich. Dumpfe Parolen, die Vorurteile
schüren, vergiften das Klima der Solidarität und diskriminieren Menschen. Als Christinnen
und Christen können wir dazu nicht schweigen. Das Schicksal der Menschen, die bei uns
Zuflucht suchen, berührt unseren Glauben. Denn die biblischen Erzählungen von
Abraham und Mose, von Jakob und Noomi, von Maria und Josef sind Flüchtlingsgeschichten. Die göttliche Zusage, mit denen zu sein, die fliehen und eine neue Heimat
suchen müssen, ist eine ständige Herausforderung an uns: Wenn ein Fremdling bei euch
wohnt in eurem Lande, den sollt ihr nicht bedrücken. Er soll bei euch wohnen wie ein
Einheimischer unter euch, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid auch
Fremdlinge gewesen in Ägyptenland. Ich bin der HERR, euer Gott. (3. Mose 19,33-34)
Dass in der Bibel immer wieder aufgefordert wird, gastfrei zu sein und Fremde zu beherbergen, deutet an, wie schwer wir Menschen uns mit grenzenloser Gastfreundschaft
tun. Angesichts der Flüchtlingskatastrophe vor Europas Grenzen gibt es keine
Handlungsalternativen. Der Umgang mit den Fremden ist eine Nagelprobe für die
Glaubwürdigkeit unserer Wertegemeinschaft. Die Schlagzeilen müssen sich ändern: auf
jede rechtsradikale Aktion, über die breit berichtet wird, kommen weitaus mehr
ehrenamtliche Unterstützungsmaßnahmen, die jenseits der Schlagzeilen geschehen.
Darüber muss geredet werden, damit das Bild in der öffentlichen Wahrnehmung sich
nicht verschiebt.
Ich bin sehr dankbar für alles ehren- und hauptamtliche Engagement in unseren
Gemeinden und Kirchenkreisen. Niedersachsen hat eine jahrzehntelange Erfahrung in der
Aufnahme von Flüchtlingen, die durch politisches Handeln, vor allem aber durch die
konkrete Hilfe von Menschen vor Ort gestaltet wurde.
Ich danke für die Zeit, die viele von Ihnen den Menschen schenken, die zu uns kommen.
Ich danke für Initiativen und Projekte, die mit viel Einsatz und Kreativität entwickelt
wurden. Ich danke Ihnen fürs Vorlesen, für Essensausgaben, Bettenaufbau,
Kleidersammlungen, Übersetzen, Organisieren und anderen Dienst an vielen Stellen. Das
sind Dienste, die den Menschen helfen und Gott die Ehre geben.
Jeder und jede von Ihnen kann dazu beitragen, auch mit bescheidenen Mitteln, dass die
Stimmung in unserem Land gegenüber den Menschen, die als Flüchtlinge zu uns
kommen, eine offene und willkommene bleibt. Widersprechen Sie Stammtischparolen in
Ihrer Nachbarschaft, beim Einkaufen und bei der Arbeit. Suchen Sie den Kontakt zu den
neuen Bürgerinnen und Bürgern. Laden Sie in Ihre Gemeindehäuser ein und feiern
miteinander. Und beten Sie für die Menschen, die kommen.
"Christus spricht: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das
habt ihr mir getan." (Matthäus 25,40). Mit dem Wochenspruch für diese neue Woche
grüße ich Sie herzlich. Nehmen wir diese Sätze als Aufforderung, das Rechte zu tun und
das Notwendige tapfer zu ergreifen.
Gott behüte Sie und Ihre Gemeinde.
Ihr
Ralf Meister
zu den Fotos